Die DB, ein Traumaseminar in Magdeburg, Übernachtung bei einer blinden Frau, und der Start von ‚Smoerrebroed‘ – all das passt in ein Wochenende.  Drei Stunden Pufferzeit für eine Fahrt von ca. 450 km haben gerade ausgereicht. Die DB hat mal wieder ihrem Ruf alle Ehre bereitet. Problematisch war vor allem, dass ich in Flensburg erst mal gar nicht loskam. Ich stand 50 Minuten in Kälte und Dunkelheit auf dem Bahnsteig, bis mein Zug endlich kam – aber nur die Hälfte der angekündigten Strecke nach HH fuhr. Das löste eine Kettenreaktion aus: Ich bekam keinen meiner Anschlusszüge. Aus einem Alternativzug wurde ich wieder herausgebeten, weil dieser eine Drehschleife vollziehen sollte und so würde der nachfolgende Zug dann doch eher in Hannover ankommen. Doch auch dieser hatte Verspätung, worauf ich den Anschluss wieder verpasst habe. Endlich dann im letzten Zug, hielten wir ca. 10 Minuten vor der Ankunft in Magdeburg – mitten in der Pampa. Wieder eine „technische Störung“. Weiterfahrt auf unbestimmte Zeit verzögert… Da habe ich dann wirklich geschwitzt. 15.50 bin ich dann am Veranstaltungsort angekommen. Um 16 Uhr ging es los…

Es war das fünfte mal, dass ich über Psychotraumatologie und Seelsorge referiert habe. Ich verändere das Seminar jedesmal. Denn in der Praxis probiere ich immer Neues aus und baue die neuen Inhalte dann ein. Diesmal waren überwiegend Betroffene im Seminar – was vorher nicht deutlich war – und ich musste den Stoff nochmal spontan anpassen. Am Schwierigsten war es, die neurobiologischen Vorgänge sehr einfach zu erklären. All die Vorgänge, die im Gehirn während eines Traumageschehens passieren, sind so immens wichtig zu verstehen. Das weitere Vorgehen im Umgang mit traumatisierten Menschen erschließt sich so richtig erst dann, wenn man den Ausnahmezustand, in dem Gehirn und Körper sich befinden verstanden hat. Die meisten Fehler werden gemacht, weil die Annahme besteht, dass ein Psychotrauma ein rein seelischer Vorgang sei. Deswegen ist es immer wichtig, dass die Teilnehmer begreifen, dass ein Psychotrauma eine ausgeprägte physische Komponente hat, die alle weiteren psychischen Vorgänge beeinflusst. Auch musste ich viele meiner Beispiele spontan ändern. Denn wenn Betroffene dabei sind, können diese retraumatisieren. Ich habe also manchmal absurd schnell neue, passende Beispiele finden müssen und mein Kopf hat ganz schön geraucht. Das Gute ist: wenn ich das nächste mal in einer gemischten Gruppe  mit Helfern und Betroffenen referiere, bin ich schon vorbereitet. Da es eine sehr kleine Gruppe war, konnte ich intensiv auf die Fragen der Einzelnen eingehen. Wir konnten sehr persönlich miteinander werden, und das war für alle eine richtig gute Zeit.

Eingeladen wurde ich von Carina (Name geändert), die eine Selbsthilfegruppe für traumatisierte Menschen in einer größeren sozialen Organisation leitet. Lange habe ich es nicht wirklich begriffen, da wir ja erst einmal nur telefonierten. Und dann erzählte Carina mir, dass sie mich an einem bestimmten Ort abholen würde. Ich würde sie an ihrem Blindenstock erkennen. Bei Carina habe ich auch übernachtet. Es war schön mit Carina zu essen und wir haben lange geredet. Es ist nur ein kleiner Ausschnitt gewesen, aber trotzdem habe ich einen Einblick in das Leben von blinden Menschen bekommen. Und das hat wiederum meinen Horizont erweitert. Ich habe Carina viele Fragen über ihr Leben und die Herausforderungen als Blinde stellen können. Und wir haben uns über die Themen Trauma und Glaube weiter austauschen können. Schmunzeln musste ich, als Carina sagte: „Es gibt so viele Möglichkeiten für Blinde – aber das meiste weiß man selbst als Blinde nicht. Ich stoße auf Vieles durch Zufall. Da muss man schon wirklich die Augen offen halten.“

In der Pause am Samstag habe ich mir den Dom und das Hundertwasserhaus (unzureichend) anschauen können.

WP_20181103_13_20_59_Pro_LIWP_20181103_13_21_41_Pro_LIbeide Photos: Bettina Peter

 

Viele neue Lebensgeschichten habe ich am Wochenende hören dürfen. Viel positives Feedback habe ich mit nach Hause nehmen dürfen. Und dann hat es mit der Rückreise doch noch ganz gut geklappt. Mitten in der Nacht bin ich heimgekommen, und habe noch das erste Treffen für unsere neue Teenagergruppe ‚Smoerrebroed‘ vorbereitet, bevor es ein paar Stunden Schlaf gab. Heute morgen haben wir uns alle beschnuppert und näher kennengelernt. Bei einem Würfelspiel gab es abwechselnd kleine Wettspiele und interessante Fragen: Was würdest du Jesus fragen, wenn du ihn jetzt treffen könntest? / Welcher Mensch ist ein Vorbild für dich/ Wenn du ein Tier sein könntest, welches wärest du gerne? etc. Die Frage nach dem peinlichsten Erlebnis sorgt in Gruppen mit Erwachsenen immer für viel Gelächter und lockere Stimmung. Bei den Teenagern war es interessant: die meisten hatten noch überhaupt gar nichts Peinliches erlebt. Was habe ich auch erwartet?! Die meisten peinlichen Sachen passieren ja auch erst, wenn man erwachsen ist! Auf jeden Fall hatten wir einen gelungenen Start mit unserem Frühstück mit Brötchen und Obst. Und auch die dänisch – deutsche Sprachhürde konnten wir erfolgreich meistern.

Morgen habe ich frei – und der Gatte verreist. Mit seinen eigenen Seminarthemen. Ich bleibe hier mit Kindern und Hund, und morgen habe ich frei. Es ist kalt geworden – und  vielleicht gehe ich morgen früh nach dem Hundegang erstmal in die Sauna und mache mir warme Gedanken.

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