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Man sollte sich davor hüten, sich über die Jünger lustig zu machen, oder überheblich von ihnen zu denken. In einer oft überlesenen Szene, die in einem Boot spielt, ist es aber fast unmöglich, nicht zu schmunzeln. In dem Wissen, dass sich in ihrer Menschlichkeit all das widerspiegelt, was wir nur zu gut von uns selbst kennen.

Da sitzen sie zusammen mit Jesus in einem Boot. Mir kommt beim Lesen folgendes Bild in den Kopf: die Jünger sitzen mit sorgenvollen und angespannten Gesichtern wie die Hühner auf der Stange entlang der Bordwand, und in der Mitte hält einer der  Jünger verzweifelt ein Baguette fest. Wenn ich es könnte, hätte ich es besser gezeichnet. Es wird nicht ganz genau so gewesen sein. Ich weiß nicht, wie sie saßen, oder ob einige von ihnen lagen oder ihre Füße über das Wasser baumeln ließen. Mit Sicherheit hatten sie damals auch kein Baguette. Aber etwas von dem Bild, welches mir vor Augen steht, wird wahrscheinlich stimmen. Sie waren angespannt und sorgten sich, weil sie nur noch ein Brot hatten. Denn sie hatten vergessen (und die Stelle mag ich auch: Hey, auch die Jünger waren vergesslich! Wie menschlich und wie sympathisch…) Brot zu kaufen. Und das eine, etwas trockene, übriggebliebene Exemplar, welches sie im Boot dabei hatten, war nicht genug für sie alle.

Ich nehme an, dass sich in den meisten Jüngerköpfen ähnliches abgespielt haben wird, wie wir es auch von uns kennen, wenn wir mit mehreren Personen zusammen sind und klar wird: es ist zu wenig da. Nicht alle bekommen ein Stück von dem leckeren Kuchen oder ein Bier ab. Es sind 20 Leute da, aber nur 15 Sitzplätze vorhanden. Es sind 10 Omnivora und 6 Vegetarier da, und es gibt 30 Wurstbrötchen, aber nur 3 Käsebrötchen (welches ein durchaus realistisches Vorkommnis ist). Es gibt zwei Einzelzimmer und ansonsten nur noch Vierbettzimmer. Oha! Das sind alles Beispiele, bei denen es nicht um Leben oder Tod geht, aber jeder, der viel mit Menschen zu tun hat, weiß, was dann gruppendynamisch und in den Köpfen der Einzelnen abläuft. Und im eigenen Kopf ja ebenso. Man merkt dann machmal, wie eng man denkt und tickt.                                             Und dann gibt es noch die existentielleren Sorgen. Das Konto neigt gen Null oder ist sowieso hoffnungslos überzogen. Ob die Arbeitsstelle noch weiter finanziert werden kann ist ungewiss. Am Jahresende erwarten wir mehr Rechnungen, als wir zahlen können. Die Miete ist nicht mehr zu stemmen. Die Rente wird vermutlich sehr schmal ausfallen, und es ist ungewiss, ob wir überhaupt mit 70 rentenberechtigt sein werden. Und so sitzen wir nebeneinander im Boot. Angespannt und mit angestrengten, sorgenvollen Gesichtern. So wie die Jünger.

Die Jünger hören dann, wie Jesus etwas über den Sauerteig der Pharisäer (das ist religiöse Heuchelei) und den Sauerteig des Herodes (Gier nach Macht) erzählt, und vor Beidem warnt. Doch die Jünger hören nur „Teig“.  Und sie blicken überhaupt nicht, worum es Jesus hier geht. Sie sind der Meinung, Jesus rede darüber, dass sie vergessen haben, genug Brot zu kaufen. Man merkt: sie sind so fixiert auf diese Sache mit dem einen Brot und dass es nicht reichen wird, dass sie gar nicht mehr in der Lage sind, klar zu denken.

Jesus zeigt sich dann gelinde gesagt etwas genervt: „Eure Sorgen und euer Mangeldenken machen euch blind und taub. Und euer Herz wird dabei ganz hart. Denkt mal ein paar wenige Tage zurück: 5000 Männer und dazu Frauen und Kinder und 5 Brote: macht wieviele Körbe mit Resten?“ Die Jünger: „Zwölf?“ Jesus: „Jap. Und dann denkt an die 4000 und die 7 Brote. Das ergab wieviele Körbe mit Resten?“ Die Jünger (es ist noch nicht so lange her…): „Sieben.“ Jesus: “ Und? Gibt es da irgendeine rechnerische Logik?“ Die Jünger blicken mit Pokerface vor sich hin. Zwei trauen sich ein leichtes Kopfschütteln anzudeuten. Jesus: „Die Antwort ist: nee! Keine Logik. Kein Rechnen und Kalkulieren. Im Reich Gottes brauchen wir das gar nicht. Da haben wir nur die eine ganz simple Währung: Vertrauen… Und nun habt ihr einmal zu wenig Brot, und ihr bekommt sofort Panik.“

Ich setze mich zu den Jüngern ins Boot. Denn ich ticke genauso. Einmal ein bißchen Mangel, und sofort beginnt es im Kopf zu brummen. Zu sehr bin ich noch im weltlichen Einmaleins des Sorgenmachens und Kalkulierens, des Sparens und Mangeldenkens gefangen. Nur selten öffnet sich eine Tür in meinem Denken, so dass ich in die himmlische Vorratskammer schauen kann. Zu selten gebe ich all das, was ich habe, auch wenn es wenig ist her, um dann zu sehen wir es explodiert und sich vermehrt und vermehrt im Reich Gottes: ( https://rausausderaffenfalle.wordpress.com/2018/11/20/was-habt-ihr-denn/ ) Und zu oft ist mein Hirn verstopft mit meinen kleinlichen Sorgen, so dass ich gar nicht hören kann, was Jesus mir eigentlich sagen möchte. Aber ich habe Hoffnung. Denn diese Gesellen da im Boot, mit dem Brett vorm Kopf und dem Brot in der Hand, das sind auch die, die hinterher alles geteilt haben. Die nichts zurückbehalten haben. Die einfach gelebt, aber aus der Fülle Gottes geschöpft haben. Es sind Petrus und Johannes, die auch im Boot saßen und kleinlich dachten. Und es sind Petrus und Johannes, die in Apostelgeschichte 3, 1-10 so sorgenfrei und vollmächtig zu dem Gelähmten sprechen: „Silber und Gold haben wir nicht. Aber was wir haben, das geben wir dir. Im Namen von Jesus Christus aus Nazareth: Steh auf und geh!“ Und weil sie im Vertrauen aus dem Reichtum des Reiches Gottes schöpften, sprang der Mann auf und lief umher und lobte Gott.  Ich wünsche mir für mich und für uns Jesus-Nachfolger diese Wandlung. Weg vom Brett vorm Kopf und dem Brot im Boot hin zu einem vollmächtigen Vertrauen, dass Gott uns schenkt, was immer gerade wir brauchen.

Markus 8, 14-21 (Übersetzung: Hoffnung für alle):
Seine Jünger hatten vergessen, genügend Brot mitzunehmen, so dass sie nur ein einziges bei sich im Boot hatten. Jesus warnte sie: »Hütet euch vor dem Sauerteig der Pharisäer und dem von Herodes!«
Die Jünger überlegten, was er wohl damit meinte: »Das sagt er bestimmt, weil wir das Brot vergessen haben.«
Jesus merkte, worüber sie sprachen, und fragte: »Weshalb macht ihr euch Gedanken darüber, dass ihr nicht genug Brot habt? Begreift ihr denn immer noch nicht? Versteht ihr denn gar nichts? Sind eure Herzen so hart und unempfänglich?
Ihr habt doch Augen. Warum seht ihr nicht? Und ihr habt Ohren. Warum hört ihr nicht? Habt ihr schon vergessen, wie ich die fünf Brote an fünftausend Menschen ausgeteilt habe? Wie viele Körbe mit Resten habt ihr da gefüllt?« Sie antworteten: »Zwölf.«
»Oder denkt an die sieben Brote, die ich an viertausend Menschen verteilt habe! Wie viel blieb damals übrig?« Sie antworteten: »Sieben Körbe voll.«  »Und da versteht ihr immer noch nicht?«, fragte sie Jesus.

2 Gedanken zu “Brett vorm Kopf und ein Brot im Boot

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