Photo: B.Peter

Heute lese ich den Abschnitt über die Versuchung Jesu:

Danach wurde Jesus vom Geist Gottes in die Wüste geführt, weil er dort vom Teufel versucht werden sollte.
Nachdem er vierzig Tage und Nächte gefastet hatte, war er sehr hungrig.
Da trat der Versucher an ihn heran und sagte: »Wenn du Gottes Sohn bist, dann befiehl, dass diese Steine hier zu Brot werden!« Matthäus 4, 1-3

Der Versucher kommt im günstigsten Moment. Wenn man 40 Tage gefastet hat, ist der Hunger überwältigend groß. Mein längstes Fasten betrug 10 Tage, und was habe ich mich zum Ende hin auf das Essen gefreut. Aber 40 Tage sind nochmal eine ganz andere Nummer. Wahrscheinlich denkt man fast ausschließlich an Essen. Und so setzt der Teufel genau dort an, wo Mangel herrscht. Aber er hält Jesus nicht duftendes, noch warmes Brot vor die Nase, sondern er rät Jesus, die Sache selbst in die Hand zu nehmen: Wenn du der Sohn Gottes bist, dann ist es doch ein Leichtes für dich aus diesen Steinen Brot zu machen. Du hast Not – also nimm es selbst in die Hand.

Das ist eine typische Masche der Versuchung. Da wo der Mangel am Größten ist, oder wir eine Veränderung oder Erfüllung ersehnen, sind wir versucht, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Es gibt Bereiche, wo das auch gefragt ist, und es ist nicht so, dass ich Selbstverwirklichung oder ein „Dinge in die Hand nehmen“ per se für falsch halte. Manchmal ist es gut. Aber es gibt eben auch Bereiche, wo wir gefragt sind, Gott zu vertrauen. Bestimmte Entscheidungen möchte ich mit Gott zusammen treffen. Und es gibt Situationen, in denen ich weiß, dass wahre Fülle für meinen Mangel nicht aus mir selbst oder von anderen Menschen kommt, sondern nur von Gott.

Wahrer Selbstwert, tiefe Erfüllung, Annahme und Bestimmung kann ich mir nicht selbst schaffen. Wenn ich die Erfüllung dieser Bedürfnisse und Sehnsüchte von anderen Menschen erwarte, suche ich an der falschen Stelle und überfordere sie damit komplett. Ich weiß, dass nur Gott hier meinen Mangel stillen kann. Nur er weiß was mich wirklich sättigt und in der Tiefe meines Herzens erreicht.

Ich kenne diese Situationen nur zu genau: Irgendwann bin ich an einem Punkt, an dem ich sinnbildlich 40 Tage lang gewartet und gefastet habe und der Hunger übermächtig geworden ist. Und das ist der Punkt, an dem ich verletzlich bin für einen falschen Weg. Dann kommt diese kleine, fiese Stimme, die mir einflüstert: Gott hat dich vergessen. Du musst die Dinge selbst in die Hand nehmen, sonst verhungerst du! Diese kleine fiese Stimme scheint mir dann die Wahrheit zu sein, und mein Gottvertrauen Illusion.

Jesus fällt nicht auf den Versucher herein. Er weiß sich in seinem Menschsein komplett abhängig von Gott. Und als der Sohn Gottes erschafft er sich nicht selber Brot aus Steinen, sondern als Gottes Sohn vertraut er seinem Vater, dass dieser ihn zur rechten Zeit versorgen wird. Jesus gab ihm zur Antwort: »Es heißt in der Schrift: ›Der Mensch lebt nicht nur von Brot, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt.‹ « Matthäus 4,4 (Jesus zitiert hier 5. Mose 8,3)

Jesus gibt dem Versucher nicht nach, so naheliegend dessen Vorschlag auch zu sein scheint. Er nimmt die Sache nicht selbst in die Hand, sondern vertraut, dass sein Vater im Himmel, der ihm sein tägliches Brot gibt, ihn auch nach den 40 Tagen des Fastens versorgen wird. Außerdem weist er den Versucher darauf hin, dass das Brot, was dieser ihm als Möglichkeit vor Augen stellt, nicht wirklich sättigt. Es gibt ein noch besseres Brot. Es gibt eine noch bessere Versorgung. Und die kommt von Gott, dem himmlischen Vater, der seinen Kindern gerne gibt.

Nachdem Jesus noch zwei weitere Male dem Versucher widersteht (und auch hier geht es darum, sich selbst zu ermächtigen und sich selbst zu versorgen, anstatt alles von Gott zu erwarten), gibt der Versucher auf:

Da ließ der Teufel von ihm ab. Und Engel kamen zu ihm und dienten ihm. Matthäus 4, 11

Und nun wird Jesus versorgt. Und zwar direkt aus dem Himmel. Aus der Hand seines Vaters – durch die Engel.

Ich will von Jesus lernen, nicht auf die kleine fiese Stimme zu hören, die mich an der Güte Gottes und seiner Fürsorge für mich zweifeln lässt. Ich will Gottes Versprechen vertrauen, dass er meine Bedürfnisse kennt und dass er sie stillen wird. Und dass diese himmlische Versorgung eine irdische Alternative bei Weitem übertrifft. Er ist mein Schöpfer, ich bin sein Kind. Die Abhängigkeit zu ihm macht mich frei.

Ist es nicht paradox: Selbstverwirklichung ist in diesen Bereichen eine Falle, die mich in die Abhängigkeit führt. Ich glaube vielleicht, dass ich unabhängig handele. In Wirklichkeit aber werde ich abhängig von Umständen und Menschen. Die Abhängigkeit von Gott dagegen führt zu meinem wahren Selbst: ich darf ein Kind des guten Vaters sein und damit ganz ‚Ich selbst‘. Es ist vermutlich die einzige Art der Abhängigkeit, die mich in wahre Freiheit führt.

3 Gedanken zu “Wo Abhängigkeit einzig wahre Selbstverwirklichung ist

  1. Eine unfassbar harte und schwere Lektion, die Gott uns da zu lernen anbietet!
    Ich weiß, wovon ich da rede, ich hab sie hinter mir! Ich als glückliche Singelin …
    Und ich kenne viele Frauen, die an derselben Stelle stehen und sich nicht trauen, die Hand des Vaters zu ergreifen und mit ihm den nächsten Schritt zu gehen.
    Dabei kann ich es nur empfehlen.
    Aber den Schritt muss jede und jeder für sich selbst tun.

    ===============
    Liebe Bettina, möchtest du jetzt vielleicht auch ein bisschen konkreter werden und erzählen, was deine letzte Lektion enthielt? (Selig sind die erledigten Aufgaben…)

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