Eine Sache, in der ich richtig gut bin, ist es, mir eine Menge Sorgen zu machen. Das habe ich auch schon von klein auf geübt, kein Wunder, dass ich es geradezu meisterhaft beherrsche.
Das Feld des Sorgenmachens ist ein Großes. Auf dem Siegertreppchen stehen natürlich in dieser Lebensphase die Sorgen um die Kinder. Interessanterweise folgen auf dem zweiten Platz jede Menge Alltagssorgen: wie bewältige ich diese oder jene Aufgaben? Wie wird ein Ereignis, das in Kürze stattfindet, verlaufen? Werde ich diese Woche genug Schlaf bekommen? …
Danach bin ich mir mit der jeweiligen Platzierung der einzelnen Sorgen oder Sorgencluster nicht mehr so ganz sicher. Mit Sicherheit wechseln die Gewichtungen auch immer mal wieder. Sorgen um die Finanzen. Sorgen um die Zukunft (näher definiert oder auch als undefinierbarer Nebel). Sorgen darum, was die Leute so über mich denken. …
Auch die lächerlichsten und kleinsten Sorgen kennen sich in meinem Kopf gut aus. Welches war nochmal die Tankdeckelseite. Kurze Zeit später: habe ich das richtige Benzin getankt? Nein! Doch! Was, wenn nicht? Habe ich den Herd ausgeschaltet? Ich hätte noch mehr Beispiele dieser Art von Sorgen, aber lassen wir das…
Dann gibt es auch noch die Sorgen vor undefinierbaren Geschehnissen. So eine Art Sorge vor der Möglichkeit, dass etwas Schlimmes passieren könnte. Ich kenne Situationen, die, trotzdem sie völlig unwahrscheinlich schienen, dann doch eingetreten sind. Ich bin von einer Giftschlange gebissen worden, mitten in Deutschland und habe, weil es zu spät erkannt wurde, nur knapp überlebt. Mein Mann und ich wurden in unserer Wohnung überfallen, während wir schliefen. Ein Waldbrand in Südfrankreich kam bis auf 300m Entfernung in die Nähe des Hauses, in dem ich wohnte. Unser Konto wurde online gehacked (erst kürzlich). Eine Ärztin machte einen Fehler während eines Eingriffs und ich muss mit den Folgen jeden einzelnen Tag leben und umgehen. Wir bekamen zu unterschiedlichen Zeiten und Ereignissen Drohanrufe oder Drohbriefe (der Pastorenberuf kann schon sehr thrilling sein). Das Außergewöhnliche kann eintreffen. So unwahrscheinlich scheint es nicht zu sein. Und sogar den Herd habe ich schon mal angelassen… und das, ohne einen einzigen Sorgengedanken daran verschwendet zu haben, tsss! Ja, das Außergewöhnliche kann eintreffen – und deshalb ist es gut, sich zu wappnen, oder?
Denn nichts Anderes steckt dahinter, wenn wir uns Sorgen machen. Wir wappnen uns dann gegen das, was geschehen könnte, und denken, wir könnten uns durch unsere Sorgengedanken besser vor dem, was wir fürchten, schützen, als wenn wir uns keine Sorgen machen würden. Wir glauben, je mehr wir eine mögliche Situation in Gedanken durchkauen, bis hin zu den schlimmsten möglichen Fällen, desto eher finden wir einen Ausweg oder eine Lösung, falls diese Situation eintritt. Und damit versuchen wir auch, einen Ausweg aus unserer Angst zu finden, die hinter unseren Sorgen steht.
Leider funktioniert das nicht. Wir vermeiden damit keine Ereignisse. Und wir können uns auch nicht wappnen, um mit möglichen kleinen oder großen Katasthrophen besser umgehen zu können. Die unvorhergesehen Situationen, die ich oben schilderte, befanden sich, bevor sie eintraten, zum großen Teil nicht auf meiner Sorgenliste. Ich habe mich nicht auf sie vorbereiten können – und dem einen Ereignis, dass ich tatsächlich vorher schon „besorgt“ hatte, musste ich mich dann doch einfach ganz anders als gedacht und spontan stellen. Sich zu sorgen entspringt ganz und gar nicht unserer Vernunft, sondern eher einer irrationalen Seite unseres Menschseins. Wir glauben nur, dass uns die Sorgen von Vorteil sein könnten. In Wirklichkeit sind sie es nicht.
Wenn ich ehrlich bin: da, wo ich mir Sorgen mache, habe ich Gott noch nicht wirklich in meine Rechnung mit einbezogen. Sorgen offenbaren mir, dass ich in diesem Bereich meines Lebens Gott nicht vertraue. Und mich deshalb wappne, bzw. versuche, die mögliche Situation zu kontrollieren, um sie in den Griff zu bekommen.
Wenn wir uns sorgen, überschätzen wir unsere eigenen Fähigkeiten, während wir (bewusst oder unbewusst) gleichzeitig Gottes unterschätzen. Unseren Sorgen steht der Glaube, bzw. das Vertrauen auf Gott gegenüber.
In der Regel ist es uns aber nicht möglich, aus unserem Sorgenkreislauf auszusteigen, indem wir (oder andere) uns anspornen, Gott doch „einfach“ mehr zu vertrauen. Wenn an dieser Stelle Druck gemacht wird, dann geschieht religiöser Missbrauch. Im besten Falle könnte man es „Religiösität“ (im Sinne von Gesetzlichkeit – ich gebrauche das Wort immer im Sinne von Gesetzlichkeit) nennen.
Wie lernen wir Vertrauen? Bestimmt nicht durch Appelle. Ich selber vertraue den Menschen, mit denen ich gute Erfahrungen gemacht habe. Oder denen, die ich sehr gut kenne, und weiß, dass sie mich in einer bestimmten Sache, die mir wichtig ist, garantiert nicht enttäuschen würden. Vertrauen in Gott lerne ich also auch nur, indem ich Gott besser kennen lerne. Zeit mit ihm verbringe. Ihm Fragen stelle und zuhöre, was er dazu zu sagen hat. Höre, wie er zu mir steht, und wie sehr er mich liebt, und was er über mich denkt. Einige Antworten dazu finde ich, wenn ich die Bibel betend und hörend lese. Darüber hinaus aber will ich vor allem im direkten Gespräch mit Jesus sein. Ihm meine Fragen stellen – und ihm zuhören. Ihm meine Sorgen vor die Füße werfen. Ihn fragen, was er dazu meint – und ihm zuhören. Ihn fragen, wie er zu mir steht – und zuhören. Ihn fragen, ob er mich liebt – und ihm zuhören. Und bei alledem meine Hände und mein Herz öffnen, um das Gehörte auch mit Körper und Seele (und nicht nur dem Verstand) zu empfangen.
Ich habe mir vorgenommen, in der Passionszeit 2018 auf nichts Stoffliches zu verzichten. Ich habe mir vorgenommen, Sorgen zu fasten.
Da ich mich kenne, weiß ich, dass ich sie nicht einfach abstellen oder wegdrängen kann. Dass Abstinenz von Sorgen nicht vergleichbar ist mit der Abstinenz von Süßigkeiten oder Medien u.ä. – Sorgen werden auftauchen. Sich fies grinsend niederlassen und heimlich Besitz von mir ergreifen wollen (hört sich an wie ein Horrorszenario – und vielleicht ist es das ja auch).
Sorgen fasten wird also anders aussehen müssen. Ich entscheide mich dafür, mit den Sorgen, die auftauchen, zeitnah zu Jesus zu gehen. Sie ihm hinzuhalten und mit ihm gemeinsam zu schauen, was mir da eigentlich so zu schaffen macht. Ihn zu befragen, was er dazu denkt. Sie ihm abzugeben, und mir dafür etwas von ihm schenken zu lassen, was mein Vertrauen in seine Fürsorge (ah – er sorgt für mich…) nährt. Vielleicht lachen wir ja des Öfteren in dieser Fastenzeit zusammen über das, was wir da gemeinsam entlarvt haben. Und dann feiern Jesus und ich zusammen die neu gewonnene Freiheit. Und dabei werden wir uns kein bisschen einschränken in dieser Fastenzeit.
Das hast du so wunderbar geschrieben. Nun lese ich diesen Beitrag am Gründonnerstag. Und beschließe daher was ganz verrücktes, ich faste Sorgen, aber nach Ostern 😉
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Liebe Iris, das freut mich! 🙂 Viel Spaß und Leichtigkeit beim Sorgenfasten.
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Danke!
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🙂
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